D. Foy u.a. (Hrsg.): Corpus des signatures et marques

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Titel
Corpus des signatures et marques sur verres antiques.


Herausgeber
Foy, Danièle; Nenna, Marie-Dominique
Erschienen
Aix-en-Provence 2006: Association Française pour l’Archéologie du Verre
Anzahl Seiten
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Anne de Pury-Gysel

Die Association Française pour l’Archéologie du Verre (AFAV) trägt seit bald 30 Jahren Wesentliches zur internationalen Glasforschung bei. Besonders bemerkenswert sind verschiedene Publikationen, in denen die Beiträge zu ausgewählten Fragestellungen der wissenschaftlichen Gemeinschaft zugänglich gemacht werden, so etwa der Band zu den Glaswerkstätten in Frankreich, jener zu spätantikem Glas, jener zu den Handelsrouten des Glases und auch jener zu den so genannten Zirkusbechern.

Die neueste Veröffentlichung ist ein Gemeinschaftswerk von über 50 Forschenden, die unter der Leitung von Danièle Foy und Marie-Dominique Nenna innerhalb von zehn Jahren ein Corpus von gegen 5000 Marken und Signaturen des 1. bis 4. Jh. n.Chr. aus weiten Teilen des römischen Reiches zusammengetragen haben; im Zentrum stehen also nicht die Gefässformen oder herstellungstechnische Fragestellungen, sondern die Aspekte Produktion und Diffusion. Während gestempelte Terra Sigillata und Ziegel seit längerer Zeit publiziert sind, gab es bisher nur bescheidene Zusammenstellungen von Gläsern mit Marken, obwohl diese Materialgruppe für die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte ebenfalls äusserst interessant ist. Der festzustellende Rückstand hängt mit der vergleichsweise späten Entwicklung der Glasforschung zusammen. Die Koordination, Sichtung und Edition der so zusammengekommenen Daten ist eine bemerkenswerte gemeinschaftliche Leistung, die ebenso von der Motivation aller Beteiligten als auch vom Talent der beiden Herausgeberinnen zeugt.

Die Inventarisierung der mit Marken versehenen Gläser unterlag je nach geographischer Region unterschiedlichen Bedingungen, was das Fehlen oder nur teilweise Vorhandensein der Daten aus England, Italien und dem Ostmittelmeerraum erklärt. Insgesamt sind vor allem die östlichen Teile des Römischen Reiches schlechter erschlossen. Wesentliche Teile des Corpus waren bereits publiziert, allerdings an einer Fülle von schwer zugänglichen Orten. Das vorliegende Werk bietet somit den Vorteil eines allgemeinen Überblickes. Die Gliederung ist abgesehen von wenigen Ausnahmen nach aktuellen Ländern erfolgt. Die Kapitel sind nach einem einheitlichen Schema mit einem Katalog, einem Kommentar und einer Bibliographie konzipiert. Jedes Stück ist in der Regel zudem mit einer Zeichnung abgebildet. Hinzu kommen Verbreitungskarten.

Die Marken teilen sich in drei Gruppen von ganz unterschiedlicher Grösse auf. Die erste bilden die relativ seltenen Gläser mit Herstellerstempeln, was ein grosser Unterschied zu den Geflogenheiten bei der Terra Sigillata ist. Zur zweiten gehören die seltenen und offensichtlich auf Italien beschränkten Stücke mit Abdrücken von Münzen. In der dritten, weitaus umfangreichsten Gruppe findet man die Exemplare mit Marken, die fast immer auf dem Boden angebracht sind, selten auf Lippe oder Wand. Die Häufigkeit von Bodenmarken lässt sich mit dem üblichen Herstellungsprozess von in Form geblasenen Gefässen erklären, wobei die Marke im Boden der Form angebracht ist. Angefügt ist denn auch eine Liste der bekannt gewordenen Bodenmodel für Marken aus Stein oder Ton. Viele Marken sind rein ornamental, andere stellen eine Mischung von dekorativen Elementen und eingefügten Buchstaben dar, wieder andere sind rein epigraphisch, meist in lateinischer und seltener in griechischer Sprache.

Die Gefässe selbst sind in der Regel von geschlossener Form; zumeist sind sie als Verpackungen von Lebensmitteln anzusprechen. Viele der kleineren markierten Gläser dürften als Behältnisse von Parfums oder medizinische Substanzen gedient haben. Zumeist handelt es sich also keineswegs um kostbare Gläser, sondern grösstenteils um beschriftete Verpackungen robuster und durchschnittlicher Qualität.

Einmal zusammengestellt, bietet jedes Corpus eine breite Arbeitsgrundlage für die Untersuchung verschiedenster Fragestellungen. Die eigentliche «Ernte» eines solchen Unternehmens stellt sich oft erste nach Jahren ein und bleibt im ständigen Zuwachs, wie es etwa die Auswertung der Stempellisten auf Terra Sigillata verdeutlicht. Das wird bei diesem neuen Corpus auch der Fall sein. In Ansätzen haben einige Autoren Aussagen vorgeschlagen, die über die Grundangaben des Corpus ihres geographischen Gebietes hinauszugehen. Übergeordnete Themen werden beispielsweise die Interpretation der Marken, die Untersuchungen zu den Produktionsgruppen und ihren Absatzmärkten sein. Denn noch wissen wir nichts über die genaue Bedeutung der Marken. Sind es Symbole für den in Glas verpackten Inhalt oder für dessen Hersteller? Vielleicht wird es eines Tages zudem möglich sein — etwa auf Grund von Analysen von Restsubstanzen — mehr zum Inhalt solcher Glasgefässe zu wissen. Sollte man in diesem Zusammenhang nicht auch beginnen, das ursprüngliche Fassungsvermögen der Glasbehälter zu rekonstruieren?

Zitierweise:
Anne du Pury-Gysel: Rezension zu: Danièle Foy, Marie-Dominique Nenna (dir.) Corpus des signatures et marques sur verres antiques. Vol. 1. La France. 248 S., 139 Taf. – Vol. 2. Belgique, Luxembourg, Allemagne, Autriche, Suisse, Slovénie, Hongrie, Croatie, Espagne, Portugal, Maghreb, Grèce, Chypre, Turquie, mer Noire, Proche-Orient, Égypte, Soudan, Cyrénaïque, France (addenda). 504 S., zahlreiche Fotos und Zeichnungen. Association Française pour l’Archéologie du Verre, Aix-en-Provence 2006. Zuerst erschienen in: Jahrbuch Archäologie Schweiz, Nr. 93, 2010, S. 299.

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Zuerst veröffentlicht in

Jahrbuch Archäologie Schweiz, Nr. 93, 2010, S. 299.

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